Im Kanton Luzern wurde am 27. Januar 2005, exakt 60 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, erstmals der europäische Holocaust-Gedenktag begangen. Viele Schulen aller Stufen folgten damals dem Aufruf des Bildungs- und Kulturdepartements und beteiligten sich mit speziell gestalteten Unterrichtsstunden, Schulveranstaltungen und Aktionen an der Durchführung des ersten Holocaust-Gedenktages an den Luzerner Schulen. Nach der guten Aufnahme der ersten Begehung hat sich das Bildungs- und Kulturdepartement entschlossen, den Holocaust-Gedenktag in regelmässigen Abständen durchzuführen.
Institutioneller Rahmen
Der Vorschlag, einen Holocaust-Gedenktag einzuführen, ist Teil der Bemühungen des Europarates um den Geschichtsunterricht des 20. Jahrhunderts und um die Förderung der Menschenrechte. Die kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren der Schweiz haben sich in der Folge dafür ausgesprochen, dass künftig auch an den Schweizer Schulen ein „Tag des Gedenkens an den Holocaust und der Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ stattfinden soll. Erstmals wurde der Tag in einzelnen Schulen der Schweiz am 27. Januar 2004 begangen. Das gewählte Datum erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945. Das Bildungs- und Kulturdepartement (BKD) hat entschieden, am 27. Januar 2005 den Holocaust-Gedenktag erstmals an den Luzerner Schulen durchzuführen.
Geschichtlicher Kontext
Der britische Nobelpreisträger William Golding hat das 20. Jahrhundert einmal als das gewalttätigste Säkulum der bisherigen Menschheitsgeschichte charakterisiert. Tatsächlich sind zwischen der blutigen Niederschlagung des Herero-Nama-Aufstandes durch deutsche Kolonialtruppen (1904) und dem Massaker in Srebrenica (1995) mehr Menschen auf staatliches Geheiss hin ermordet worden als je zuvor in der Geschichte. Die Schätzungen belaufen sich auf gegen 190 Millionen Opfer. In der Geschichtswissenschaft setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass das 20. Jahrhundert "totalitäre Megatötungsregime" (Gunnar Heinsohn) hervorbrachte und durch die historisch grössten Völkermorde geprägt war. Vor dem Hintergrund der deutschen Grossverbrechen im Zweiten Weltkrieg und den Massentötungen in der stalinistischen Sowjetunion hat der polnische Jurist Raphael Lemkin 1944 den Begriff "Genozid" geprägt. Genozid ist seit der am 9. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedeten "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" ein klar umrissener Tatbestand des Völkerrechtes. Allerdings hat die Völkermordkonvention staatliche Massengewalt nicht verhindern können, wie die Genozide in Kambodscha (1975-1979) und Ruanda (1994) schmerzlich belegen.
Ziel und Motto
Die Begehung des Holocaust-Gedenktages soll mithelfen, durch Information und Aktion bei den Lernenden und Lehrenden die Abgründe der Genozide des 20. Jahrhunderts ins Bewusstsein zu rufen, den Respekt gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden zu fördern und die Bedeutung der Menschenrechte darzustellen. Dabei ist die Perspektive über den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus hinaus zu öffnen und eine Gesamtschau anzustreben. Das vom BKD gewählte Motto „Erinnern statt vergessen – Handeln statt schweigen!“ zielt auf die Verbindung von Wissen und Handeln: Die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema soll Folgen im Alltag haben. Mit der Beteiligung an einer gesamteuropäischen Initiative kommt zudem der Solidaritätsgedanke zum Ausdruck.
Durchführung Der Holocaust-Gedenktag 2005 soll, in Übereinstimmung mit andern Kantonen und europäischen Ländern, am Donnerstag, 27. Januar 2005, an allen öffentlichen Schulen ab Sekundarstufe I durchgeführt werden. Die Teilnahme von Primarschulen ist möglich und sinnvoll, sofern das Thema entsprechend aufgearbeitet wird.
• Private Schulen werden über das Vorhaben informiert und zur Beteiligung eingeladen.
• Die Durchführung wird vom BKD den Schulen nicht verordnet, sondern empfohlen und durch Dienstleistungen unterstützt. In drei Schritten soll das Ziel erreicht werden: Informationen vermitteln – Emotionen ansprechen – zum Handeln anregen.
• Ein breites Spektrum von Arten der Vermittlung und Durchführung ist möglich, eine Zusammenarbeit zwischen einzelnen Schulen erwünscht.
• Entscheidend für den Erfolg ist eine stufengerechte Vorbereitung und Durchführung.
Zuständigkeiten
Für die Durchführung sind die Schulleitungen verantwortlich. Die Vorbereitungsarbeiten und Veranstaltungen der Schulen zum Gedenktag sollen nach Möglichkeit ins ordentliche Schul- und Unterrichtsprogramm integriert werden. Der Kontakt zu den lokalen und regionalen Medien ist ebenfalls primär Sache der einzelnen Schulen, eine Koordination auf BKD-Ebene wird angestrebt.
Finanzierung
Die finanziellen Mittel, die für die Vorbereitung und Durchführung zusätzlich zum ordentlichen Schulaufwand benötigt werden, sind grundsätzlich durch die Schulen selber aufzubringen (z.B. Budgets für besondere Anlässe). Es ist den Schulen überlassen, wie weit sie externe Quellen einzubeziehen suchen.
Dienstleistungen BKD
Das Bildungs- und Kulturdepartement hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die für die Koordination, Vorschläge für die Durchführung, stufengerechte Beratung und, in Zusammenarbeit mit den Pädagogischen Medienzentren, für Unterlagen wie Referenten-, Literatur- und Medienlisten besorgt ist. Als Kommunikationsmittel dienen das Mitteilungsblatt BKD und das Internet.